Betrachtungen vom Ende der Beliebtheitsskala
Vorstellung und Realität in Bezug auf Berufsbilder klaffen des Öfteren auseinander. Interessenvertreter*innen können davon ein besonders schönes Lied singen.
Lobbying hat mitunter einen schlechten Ruf. Kaum vorstellbar, dass Lobbyist*innen im Ranking der sympathischsten Berufe einen der vorderen Plätze belegen (da halten sich nach einer GfK-Untersuchung hartnäckig Feuerwehrleute, Ärztinnen und Ingenieure). Nur allzu schnell tun sich Bilder von raffgierigen Interessenvertreter*innen in Anzügen auf, die den Konzernen dieser Welt Gesetze kaufen und politische Prozesse manipulieren. Dabei sind die Adressaten des Lobbyings, die Politiker*innen, wahlweise Hampelmänner und -frauen oder – noch schlimmer – selber Lobbyist*innen, so lautet zumindest der gängige Vorwurf.
Das Stimmvolk durchschaut Machtspiele
Nur, entspricht diese Vorstellung der Realität? Nein. Zumindest nicht flächendeckend. Zumindest nicht in der Schweiz. Sicherlich gibt es Auswüchse und Manifestationen des Raffgierigen. Sie sind aber nicht, was wir hier in der Agentur in unserer täglichen Arbeit erleben. Wohl deshalb nicht, weil jeder Hinterzimmer-Deal an der Urne bestehen muss. Und das Stimmvolk verfügt über ein gutes Sensorium für Auswüchse jedweder Art.
Was wir erleben, ist dies:
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Zumeist sehr gut informierte Politiker*innen, für die der Austausch mit Interessenvertreter*innen eine wichtige Informationsquelle ist.
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Die gleichen Politiker*innen, die manchmal mit ihrer eigenen Haltung ringen, sie gegen andere Haltungen abwägen und manchmal im Interesse des Kompromisses aufgeben.
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Vernehmlassungsverfahren, welche die Vielfalt der verschiedenen Interessen in Wirtschaft und Gesellschaft zumeist gut aufzuzeigen vermögen und so ein unverzichtbares Element im demokratischen Gesetzgebungsprozess sind.
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Aufregung über die Argumente der Gegenseite («Hast du das gelesen? Das stimmt doch einfach nicht!»)
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Freude daran, dass das politische System der Schweiz ein Ringen um den Interessenausgleich ist und dass dieser Ausgleich auf Informationen und Überzeugung beruht. Dass Mehr- und Minderheiten in Bewegung sind, dass wir mal verlieren und mal gewinnen. Dass wir lernen und beim nächsten Mal besser argumentieren.
Die vielen Punkte berechtigter Kritik sind damit nicht in Abrede gestellt. Interessenvertretung muss transparent und professionell betrieben werden. Nur so kann sie ihre berechtigte, von der Verfassung vorgesehene Rolle in der demokratischen Meinungsbildung übernehmen.