Der lange Weg zum Frauenstimmrecht
Es ist kein Geheimnis: Trotz ihrer langen demokratischen Tradition ist die Schweiz in Sachen Frauenstimmrecht das Schlusslicht Europas. Während es die meisten Länder zwischen den beiden Weltkriegen einführten, mussten Frauen hierzulande mehr Geduld aufbringen, bis ihnen die Ausübung ihrer politischen Rechte nicht mehr verwehrt wurde. Schuld an dieser Verzögerung ist unter anderem die direkte Demokratie.
Die Angst der Schweizer Männer war gross, als sie 1971 darüber entscheiden mussten, ob ihre Frauen und Töchter die gleichen politischen Rechte erhalten sollten wie sie. Immerhin ging es darum, Privilegien zu verlieren und sich gleichzeitig einzugestehen, dass die Aufgabe der Frau nicht nur darin bestand, sich um Haushalt und Kinder zu kümmern. Dass schliesslich doch 65.7 % der Stimmbürger an der Urne Ja zum Frauenstimmrecht sagten, ist einer der wichtigsten Schritte auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung. Einen grossen Applaus gibt es für die Männer trotzdem nicht. Im Gegenteil: Ihnen wird in diesem Zusammenhang oft Rückständigkeit vorgeworfen, weil die meisten europäischen Länder Frauen viel früher am politischen Geschehen teilhaben liessen. Als erstes Land auf dem Kontinent führte Finnland 1906 das Frauenstimmrecht ein, Deutschland und Österreich 1918, Frankreich 1944 und Italien 1946 – um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Tücken der direkten Demokratie
Eins ist aber so sicher wie das Amen in der Kirche: Hätte man in diesen Ländern auch die Männer über das Schicksal der Frauen abstimmen lassen, hätten sie nicht anders als ihre helvetischen Geschlechtsgenossen entschieden. Das zeigt, dass die sonst hochgejubelte direkte Demokratie als politisches System nicht per se fortschrittlicher ist als andere Staatsformen – gerade, wenn es um die Gleichstellung der Geschlechter geht. Diesbezüglich gilt die Schweiz bis heute nicht als Musterschülerin, insbesondere in Zusammenhang mit Lohngleichheit, Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben sowie der Vertretung von Frauen in Führungspositionen. Es gibt also noch einiges zu tun. Doch am Sonntag, 7. Februar 2021 wollen wir in erster Linie auf das Erreichte anstossen und unser Recht auf politische Partizipation im grossen Stil feiern. Happy Birthday!